GOSPEL IST DIE REFORMATION VON HEUTE
Meine herzlichsten Glück- und Segenswünsche an die Pop-Akademie zu ihrer Eröffnung!
Martin Luther hat mit seinen Liedern den Anschluss an das Lebensgefühl der Menschen seiner Zeit hergestellt – UND die musikalische Tradition zeitgemäß weiterentwickelt – denn er hat ja auch mittelalterliche Gesänge verdeutscht und damit verständlich gemacht und modernisiert! Dieser musikalische Flügel des Reformationsgeschehens hat wesentlich zum Gelingen der Reformation beigetragen. Deshalb sind auch heute alle Bemühungen in dieser Richtung den Einsatz wert und wir brauchen deshalb auch – unter anderem – eine sehr viel größere Zahl von Stellen für Popularmusik in der Kirche. Und wir brauchen Menschen, die solche Stellen besetzen, die das nicht als Ersatz oder Verdrängung der „klassischen Kirchenmusik“ sehen, sondern die im Idealfall von beidem Ahnung haben. Dann kann auch heute Reformation gelingen.
Übrigens sind die Gospelbewegung und der Aufschwung der kirchlichen Popularmusik insgesamt die vielleicht einzige einigermaßen nachhaltige Belebungskampagne der letzten dreißig Jahre in unserer Kirche – ungefähr so lange gibt es sie schon und sie ist immer noch frisch, sie erreicht gerade auch die sog. „mittlere Generation“, die in der Kirche sogar noch seltener zu finden ist als Jugendliche. Umso erstaunlicher: sie stand in keinem Strategiepapier der Kirchenleitung – weder im Konzept „Öffnen und Verdichten“ der VELKD noch im Kommunikationskonzept „Brücken bauen“, auch in evangelikalen Gemeindaufbaukonzepten („Überschaubare Gemeinde“ oder auch „NCD“) kam und kommt so etwas nicht vor. Nicht einmal so richtig im Papier „Kirche der Freiheit“, das zu einer Zeit entstand, als keiner mehr die Realität des Gospelbooms bestreiten konnte (1998 war das noch so: Da habe ich das „1. Norddeutsche Gospelchortreffen“ organisiert und musste mir von Kirchenleitenden und Kirchenpresse noch anhören, den von mir behaupteten „Gospel-Boom“ gebe es nicht, weshalb es für das Festival auch praktisch keine offizielle Unterstützung gab – nur der weltliche NDR berichtete begeistert …).
Was sagt uns das? Wir sollten weniger auf ausgefeilte Strategien vertrauen, schon gar nicht die Kirchenreform von Ideen erwarten, die den Gemeinden „top-down“ diktiert werden, sondern Ausschau danach halten, wo und wie das Evangelium auch heute seine Kraft entfaltet – das ist nämlich der Kern der Gospelbewegung; Gospel heißt ja übersetzt „Das gute Kraftwort“ und beschreibt damit das Wesen des Evangeliums, dem wir auch heute noch Veränderung zutrauen dürfen.
Jemand sagte kürzlich: „Auf den ‚Groove‘ kommt es an.“ Aber was ist „Groove“? Ein musikwissenschaftliches Lexikon definiert: „Groove entsteht durch eine Ungenauigkeit im Mikrorhythmus“ (weshalb man Menschen als Schlagzeuger braucht und keine „Rhythmusmaschine“ im Keybord!). Wir sollten also ein bisschen mehr „Ungenauigkeit“ wagen in der Kirche!